Goethes Erben : Tote Augen Sehen Leben
Teksty
1. TRAUMA
Mitnichten beginnt die Tat nicht allein mit der Handlung.
Vielmehr reißt das Vorfeld den Umriß der Tat.
Noch weißt die Skizze verschobene Perspektiven auf,
Doch entwickeln sich die Linien weiter bis hin zur Vollendung.
Die Tat an sich ist nur die Summe der Überlegungen,
Die uns die Handlungsweise als logisch erscheinen läßt.
In diesem Augenblick, der keiner ist, verlassen wir die Wurzeln,
Um in die Peripherie des Absoluten zu gleiten,
Ohne in lachenden Gefühlen ertrinken zu müssen.
Die kurze Suche ist beendet, ohne bemerkt zu haben,
Wieviele Zeit benötigt wurde, um den Vorgang gültig Abzuschließen.
Jetzt beginnt und endet der Zeitpunkt der Tat.
Zur gleichen Zeit beginnt das Trauma ...
2. MARCHENPRINZEN
Märchenprinzen sterben schneller als erwartet,
Denn sie sind nur schön und fröhlich
Manisch lächelnd fallen ihre Blicke
Zuckersüß - die Maske schmilzt zur Fratze
Ubersät mit bittersüßen Tränen
Pastellfarben bleiben leicht verdaulich
Kraftlos blättert die Farbe vom Kostüm
Ton um Ton wird alles grau.
Märchenprinzen lachen laut
Verschwinden leise
So fällt ihr Lachen in den bittersüßen Fluß
Darin tanzen die Blätterfarben
Unaufdringlich in Pastell
Und laut lachend schwimmt der Märchenprinz zur Mitte
Und bittet um Vergebung
Fröhlich blubbernd versinkt er lächelnd
Ton um Ton verstummt.
3. BUNTER RAUCH
In bunten Rauch getaucht zu leben
Entführt entrückt im Farbenrausch
Verführt durch leise Lügen
Gebrochen scheint das Gipsgesicht
Gebrochen scheint das Gipsgesicht ...
Verborgen blutet der greise Jüngling
Sein Stolz vebietet klar zu denken
So sei es ! Worte - jetzt ohne Sinn
Gebrochen scheint das Gipsgesicht
Gebrochen scheint das Gipsgesicht
Künstlich leuchtend schreiten Tag und Nacht
Gemeinsam durch scheinbar liebenswerte Bilder,
Die Stück für Stück den Gips zerbeißen
Die Stück für Stück den Gips zerbeißen ...
Zerbrochen ist das Gipsgesicht
Zerbrochen ist das Gipsgesicht ...
Der Jüngling blutet weiter
Teils verborgen hinter weißer Masse
Zersetzt im bunten Rauch
Zerbrochen ist das Gipsgesicht ...
4. ICH LIEBE SCHMERZEN
Seit Tagen liege ich im warmen Wasser
Ich fühle mich wohl warm und leicht
Meine Haut löst sich ganz leicht vom Fleisch
Ich genieße den Schmerz
Er tut gut
Ich liebe Schmerzen
Warum nicht ?
Das Wasser ist tiefrot
Das Rubinauge beobachtet mich
Kleine Blutgerinsel treiben in meinem Saft
Der Schmerz ist fast unerträglich
Aber ich will mehr
Noch mehr Schmerzen spüren
Ich liebe Schmerzen
Warum nicht ?
Inzwischen kann ich nicht mehr sitzen
Meine Muskeln liegen frei
Zitternd bebt mein Körper brennend
Neben der Wanne türmt sich die Haut
Streifen um Streifen mehren sich meine Schmerzen
Ich liebe Schmerzen
Warum nicht ?
Das rohe Leben liegt hüllenlos frei
Schutzlos dem Schmerz ausgeliefert
Meine Liebe zum Schmerz wird mir irgendwann das Leben Kosten aber ...
Ich liebe Schmerzen
Warum nicht ?
5. ROTE TRANEN
Es macht mir eigentlich keine Freude
In meine eigene Hand zu schneiden,
Rote Tränen zu beobachten,
Die einen kleinen Rinnsal bildend mich verlassen.
Die einzige Möglichkeit mich an mir zu rächen
Zu sühnen für das was ich sprach und tat.
Ohne bewußt gehandelt zu haben.
Es kommt mir vor als hätte ich nie gelacht
Nie geweint,
Gelacht geweint
Die Bilanz zeigt aufwärts
Doch verliert sich die schwarze Linie am trüben Horizont Der brennt.
Mit steigender Tendenz Richtung Unendlichkeit
Weit entfernt von so etwas wie Gefühlen.
Ich spüre nicht das Stück Fleisch,
Daß anstatt meiner rote Tränen weint.
Im Moment noch wenige
Und jeder Schritt abseits der Linie wird bestraft
Mit flüsternden Worten die mehr rote Tränen fordern.
Hört nur wie sie flüstern und wispern
Schimpfen und geifern
Stechen und bohren
Zerren und beißen
Fordern: rote Tränen zu weinen
Und schließlich darum betteln
Endlich rote Tränen zu weinen
Endlich rote Tränen zu weinen
... Rote Tränen zu weinen
... Tränen zu weinen
... Zu weinen
... Weinen
6. FLUSTERN
Urplötzlich hat es begonnen, zu mir zu sprechen.
Nicht laut und deutlich waren die Worte
Die Stimme zelebrierte sie leise und freundlich
Ein sympathisches Flüstern
Nicht aufdringlich noch boshaft,
- Aber bestimmt
Das Flüstern hatte mich gerne und half mir beim Nachdenken.
Anfangs nur dann, wenn ich Hilfe benötigte.
Immer dann wenn ich allein war.
Doch immer öfter hörte ich das Flüstern.
Dann kam der Tag, an dem ich aufhörte nachzudenken.
Das Flüstern hatte diese Aufgabe übernommen.
Und ich folgte seinen Gedanken blind und unbeirrt.
Ich war nie mehr einsam,
Auch wenn die Menschen in meiner Umgebung verschwanden.
Sie mochten ihn nicht, obwohl sie ihn nicht einmal kannten.
Selbst meine Mutter wachte eines Tages nicht mehr auf.
Sie hatte mich verlassen
Das Flüstern hatte es so bestimmt.
Mit der Anzahl der Menschen, die um mich herum Verschwanden,
Erhöhte sich die Zeit unserer Zweisamkeit.
Es blieb viel Zeit miteinander zu reden.
Er hörte mir zu ich ihm und ich tat all das,
Was er mir zuflüsterte.
7. MIT DEM WISEN...
Es ist nicht Absicht meiner Tat
Den Kindern ihre Freude zu rauben,
Aber es wird besser sein sie zu töten,
Um sie vor dem Kommenden zu bewahren.
Ein sanfter Tod - unbemerkt - kann etwas sehr schönes sein.
Es ist nicht Absicht meiner Tat
Den Kindern ihre Träume zu rauben,
Aber es wird besser sein sie zu töten,
Denn ihre Träume werden immer nur häßlich sein
Und sich über ihren Schlaf wie ein dunkler Schatten legen.
Es ist nicht die Absicht meiner Tat
Mit dem Tod der Kinder den Zyklus des Lebens zu Unterbrechen
Aber es wird besser sein sie zu töten,
Denn Erwachsene können sehr Gefährlich sein
Sehr Gefährlich,
Denn sie vergaßen ihre Jugend
Es ist die Absicht meiner Tat
Allein zu sein
Als letzter zufrieden dem Ende des Tages beizuwohnen
Mit dem Wissen der nächste wird wieder fröhlich sein ...
8. GEDANKEN
Es war der Gedanke der mich traf wie der Dolch
Das frische Fleisch eines geopferten Tieres trifft und Tötet.
Und die gleiche Hilflosigkeit spiegelte sich in meinen Augen wieder,
Die rosa schimmerten,
Der Eigenzorn ließ die Äderchen zerplatzen.
Bewußt zerstört zu haben,
Fragte ich nach dem Sinn
Und sah nur das Symbol der Eitelkeit,
In dessen Windungen sich mein Wille verirrte
Und das Geschehen noch während der Dimensionsfessel
Zu vergessenem Strandgut degradierte.
Herausgetrennt aus dem Bilderbuch der Freude.
Achtlos verworfen in eine graue Pappschachtel
In der es modrig vergessen wird.
Die Konturen verwischen
Ich schlug mir vor zu schweigen um auf eine Antwort zu Warten.
- Und ich wartete
Woche für Woche
Jahr für Jahr.
Doch eine Antwort erhielt ich nie
Nur Schweigen folgte auf Schweigen
Endlich war es so still, daß ich bemerkte
Wie mich mein eigenes Schweigen auslachte.
9. WARTEN
Ich warte auf den Augenblick
In dem die Sonne anfängt zu lächeln
Um gemeinsam mit dem Mond zu tanzen
Die Dunkelheit von Licht durchflutet
Freundlich vom Gesang der Vögel begrüßt wird
Und die Väter mit den Kindern
Am Sandkasten sitzen und spielen
Doch es kam anders ...
Die Blitze rissen den Himmel in Fetzen
Und im Trauerfluß der Wolken ertranken all die Vögel
Ihnen blieb keine Zeit zu singen
Unheimlich heulte der schuldlose Sturm
Und in der Luft lag der Geruch der Angst
Die Väter bargen die leblosen Körper ihrer Kinder
Die Wut der Natur hat sich gelegt
Die Wogen geglättet - der Himmel befreit
Die Väter haben ihre Kinder begraben
Und begonnen kleine Sandkästen anzulegen
Und dort sitzen sie und warten
Warten auf einen Augenblick ...
Und sie warten auf den Augenblick
In dem die Sonne anfängt zu lächeln
Um gemeinsam mit dem Mond zu tanzen
Die Dunkelheit von Licht durchflutet
Freundlich vom Gesang der Vögel begrüßt wird
Und sie warten auf die Kinder
Die mit ihnen spielen werden
10. ES IST ZEIT
Es ist Zeit die Suche aufzugeben
Der Weg war steinig, die Füße bluten
Mein Stolz ist längst gebrochen
Mein Leben war ein Acker ohne Hoffnung
Der Pfad ist markiert von den bleichen stummen Zeugen, Derer,
die den Weg vor mir schritten.
Entlang versteinerter Traumbilder
Gedanklich gefangenen Sehnsüchten
Endlos zeigt der Horizont am grauschwarzen Firmament ein Gemälde
Häßliche Vögel beobachten meinen Körper,
Der nackt von der Sonne gebranntmarkt auf allen vieren Kriechend sucht
Die Wunden eitern und locken ihn herbei
Es ist Zeit die Suche aufzugeben
Der Weg ...
Der trockene Sand klebt an meinen Lippen
Regungslos bleibt er liegen
Die Gefühle sind gestorben
Der Schmerz ist isoliert
Der Biß der Schlange bleibt unbemerkt
Ein Windhauch kündigt seine Nähe
Die Spur wird durch den Schlag der Schwinge beseitigt
Zurück bleibt nur ein Meer aus Sandkörnern
Ich ahne wie mein Fleisch aus meinem Körper gerissen wird.
Es ist Zeit
Laß es dir schmecken mein Freund
Es ist Zeit
Es ist Zeit ...
Es ist Zeit die Suche aufzugeben
Der Weg ...
11. DAS SPIEGELBILD
Glas
Ein lichtschluckender Hintergrund
Als die Zukunft sich im Gleichschritt mit der Gegenwart Befand,
Fiel mein Blick auf das Spiegelbild.
Von der Faszinatioin des Zeitpunktes gebannt,
Vergaß ich zu denken.
Allein der Blick in das Auge meines Spiegelbildes ist mir Möglich.
Seitenverkehrt trifft ihn dasselbe Licht,
Das mir zu diesem Abbild verhilft.
Nur schwach !
Deshalb die Farbe grau !
Das Gesicht meines Spiegelbildes scheint meine Konturen Aufzusaugen.
Mein Ursprungskörper vor dem Glas verblaßt, verliert Substanz.
Ich nähere mich dem Spiegelbild und verwandele mich in Einen Zyklopen,
Der sich an meinen Körper schmiegt.
Kühle Glätte begrüßt meine Lippen, meine Haut.
Der gedachte Kuß meines kalten Spiegelildes weckt in mir Die Sehnsucht,
Diesem näher zu sein.
Die Augen geschlossen presse ich meinen Leib
Immer intensiver und mit geballter Sehnsucht
An mein eigenes Spiegelbild.
Und er scheint dies zu bestärken.
Knirschend zerbricht die Grenze
Millionenfach zerschneiden wir uns
Gegenseitig zu Fleisch und Kristallen
Um eins zu werden.
Gemeinsam stürzen wir in die Leere
Vereinigt begrüßen wir den Boden,
Der immer näher kommt ...
12. TOTE AUGEN
Welch wunderbares Gefühl war und ist es zu fallen
Getragen vom Wind
Losgelöst vom Stamm
Um in Neuem gebettet zu zerfallen
Die Form als Ursprung ändert sich
Und tote Augen sehen Leben
Und nach Verfall und Kälte
Beginnt der Kreis sich zu schließen.
Wir erwachen und bemerken
Das Sterben ist ästhetisch bunt ...
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